Nicole Bruchhäuser im Gespräch über die neue Fach-AG Technikberatung in der BAG Wohnungsanpassung
Manchmal denke ich, es müsste mehr Veranstaltungen geben, die nur aus Pausen bestehen”
21.09.2020
VTTNetz: Frau Bruchhäuser, das zweite bundesweite Austauschtreffen der Wohn- und Technikberater*innen in Wiesbaden liegt hinter uns – wie haben Sie diese zwei Tage im vergangenen November erlebt?
Nicole Bruchhäuser: Dadurch, dass ich in die Vorbereitung involviert war, war ich natürlich sehr aufgeregt und auch ein wenig angespannt. Ich habe mich gefreut, wie gut unsere Planung bei den Teilnehmenden ankam. Das Treffen in der Musterausstellung erhielt ein positives Feedback, auch beim gemeinsamen Abendessen herrschte eine gelöste Atmosphäre. Am nächsten Tag lief der inhaltliche Part sehr gut. Die Stimmung war offen, die drei Input-Vorträge waren sehr gelungen und anregend. Zum Beispiel die Erfahrung aus dem Kreis Saarlouis: Technikberatung in Friseursalons. Nicht ganz so gut hat das World Café funktioniert – es verlief sich auf Grund der hohen Teilnehmerzahl recht schnell. Mein Gesamteindruck nach den zwei Tagen war, dass alle motiviert aus dem Austauschtreffen gegangen sind.
Hat Sie etwas überrascht?
Ich war überrascht, wie gut der Austausch und die Vernetzung funktionieren. Manchmal denke ich, es müsste mehr Veranstaltungen geben, die nur aus Pausen bestehen. Ich fand es toll, dass sich spontan Leute gemeldet haben, die Interesse daran haben, weiter zusammen zu arbeiten und Gastgeber für das nächste Austauschtreffen zu sein.
Gab es auch Momente, die sie berührt haben?
Ich war tatsächlich gerührt, dass so schnell eine familiäre Atmosphäre entstanden ist. Es war einfach rund, wir haben eine tolle Basis.
Wie war denn das Teilnehmerfeld aufgestellt?
Es war schön, dass viele langjährige BAG-Mitglieder teilnahmen. Sogar die „alten Hasen“ der Wohnberatung öffnen sich dem Thema. Das war nicht immer so: Ich erinnere mich an eine Jahrestagung der BAG 2011 in Frankfurt zum Thema „Ambient Assisteted Living und Smart Home“ – da war die Stimmung unter den Wohnberater*innen noch verhalten. Jetzt ist eine Offenheit – mit einer gesunden Portion Kritik – zu spüren.
Was sind das für Menschen, die in der Wohn- und Technikberatung arbeiten?
Oft arbeiten sie bei sozialen Dienstleistern, bei Wohnungsunternehmen oder Kommunen. Es gibt auch einige Selbständige, z. B. Architekt*innen. Für alle gilt: Es sind Menschen, die sehr nah an der Basis sind und Freude am Beraten haben. Die meisten sind empathisch, kommunikativ, und den Ratsuchenden zugewandt.
Wie kam es denn kürzlich zur Gründung der Facharbeitsgemeinschaft Technikberatung?
Erste Ansätze waren schon im Projekt „Besser leben im Alter durch Technik“ von 2014-16 zu sehen: Die Projektbeteiligten hatten sich öfter getroffen und schnell gemerkt, wie sinnvoll der Austausch ist.
Damals schon gab es einige, die sich auch nach diesen zwei Jahren eine kontinuierliche Vernetzung – eventuell unter dem Dach der BAG – wünschten. Wir haben allerdings nicht konsequent an der Umsetzung gearbeitet. Dann kam das Austauschtreffen im April 2018 in Villingen-Schwenningen. Das war ein guter Aufschlag, denn hier wurde noch einmal betont, wie sinnvoll die Gründung einer Facharbeitsgemeinschaft ist. Gerade in dem Bereich Technik, wo es immer wieder etwas Neues gibt, sollte man sich vernetzen. In der Vorbereitungsgruppe zum Austauschtreffen 2019 mit dem Netzwerk Wohnen Rheingau-Taunus und der Hochschule Harz haben wir das Thema aufgenommen und ein Konzept für eine Facharbeitsgemeinschaft erstellt. Da bei der BAG-Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung anstand, konnten wir die Facharbeitsgemeinschaft Technikberatung darin verankern.
Passt das denn zusammen: Technikberatung und Wohnberatung?
Ich finde, eine angepasste oder barrierefreie Wohnung ist die Grundvoraussetzung, um mit Technik erweitert zu werden. Beides gehört zusammen – die Technikberatung passt als Modul zu dem ganzheitlichen Ansatz der Wohnberatung. Wir hatten in dem Projekt „Besser leben im Alter durch Technik“ auch schon festgestellt, dass es nicht zielführend ist, die Technikberatung von der Wohnberatung abzugrenzen.
Welche Aufgaben und Ziele hat sich die Facharbeitsgemeinschaft Technikberatung gesetzt?
In unserem Konzept haben wir verankert, dass wir außer Austauschtreffen und Vernetzung auch Forschungsprojekte anstoßen wollen. Es gibt viele Projekte, in denen die Expertise aus der Praxis gewünscht und notwendig ist. Ein weiterer Part ist die Schulung und Qualifizierung der Beratenden. sowie die Vernetzung zu anderen Organisationen zu ermöglichen: Als Facharbeitsgemeinschaft erhoffen wir einen einfacheren Zugang zu Hochschulen und anderen Institutionen. Das Thema kann auch viel besser mit der politischen Ebene kommuniziert werden: Wie werden technische Assistenzsysteme finanziert? Wie sieht es mit den ethischen Aspekten in der Praxis aus?
An wen richtet sich die FAG?
Zum einen nach innen an die Mitglieder der BAG, wenn beispielsweise Expert*innen für Technikfragen gesucht werden. Zum anderen nach außen an Beratungsstellen, Hochschulen und Hersteller.
Wer kann denn Mitglied werden?
Wir streben grundsätzlich an, dass die aktiven Teilnehmer in der FAG Technikberatung auch Mitglieder in der BAG sind. Man kann sich allerdings auf verschiedenen Ebenen einbringen, ohne Mitglied in der BAG zu sein: Zum Beispiel ist über das Forum für Berater*innen auf www.innovativ-altern.de eine niedrigschwellige Vernetzung leicht möglich. Dann kann man sich verbindlich in den Verteiler für einen Newsletter anmeldet und wird unter anderem zu informellen Treffen eingeladen. Und natürlich steht das bundesweite Austauschtreffen der Wohn- und Technikberatenden allen Interessenten offen.
Wie wird das nächste Austauschtreffen gestaltet?
Der momentanen Situation geschuldet, richten wir es virtuell aus. Wir wollen im Juni über „Zoom“ zwei Impulsvorträge anbieten. Wenn es von den Teilnehmenden gut angenommen wird, planen wir dieses Format öfter zum Austausch zu nutzen. Im Januar 2021 wird ein bundesweites Austauschtreffen in Hamburg stattfinden – und wir freuen uns schon jetzt, viele Wohn- und Technikberater*innen dort wieder zu sehen.